Die Hangover-Kluft im Val du Trient in der Schweiz
Das hochalpine schweizer Gletschertal Val du Trient wurde durch Großfunde von Roger May und weiteren Strahlern schon vor Jahrzehnten bekannt. Dieses auch für Wanderungen bekannte Gletschertal liegt im Mt Blanc Massiv und bildet einen Teil der Grenze zu Frankreich.

Das hochalpine schweizer Gletschertal Val du Trient wurde durch Großfunde von Roger May und weiteren Strahlern schon vor Jahrzehnten bekannt. Dieses auch für Wanderungen bekannte Gletschertal liegt im Mt Blanc Massiv und bildet einen Teil der Grenze zu Frankreich. Im Sommer 2020 ist es mir gelungen, eine bedeutende Kluft in dieser Zone zu finden - für mich als Strahler und Alpin-Sammler eine besonders große Freude.
Ein großer Teil der Faszination rund um‘s Strahlen kommt von den vielen Geschichten und Fundberichten, die erfolgreiche Touren und berühmte Klüfte beschreiben. Besonders beeindruckend sind dabei die Erläuterungen wie „Kristalle ernten, wie Kartoffeln“ und „kein Werkzeug war notwendig“. Nach mehr als 200 Touren hatte ich zwar bereits gute Funde gemacht, aber mit dem Bergen der Kristalle war doch meistens viel Arbeit verbunden. Im Sommer 2020 änderte sich dies allerdings, und zwar auf eine eher ungewöhnliche Art und Weise.
90% meiner bisherigen Strahlertouren waren im schönen Bündnerland, aber nachdem ich vor einigen Jahren auf die andere Seite der Schweiz gezogen war, wurde das Unterwallis mein neues Gebiet. Normalerweise braucht es eine Eingewöhnungsphase, bis man sich in einer neuen Zone gut auskennt – aber dieses Mal hatte ich bereits beim dritten Mal Glück, und zwar zusammen mit einem absoluten Anfänger!
Mein australischer Freund Steve hatte mich eine Woche davor gefragt, ob er denn beim Strahlen mal mitkommen dürfe. Ich war froh über die Gesellschaft und änderte meine Tourenplanung leicht: Das Val du Trient an der französischen Seite rückte in den Fokus – weil Chamonix nicht weit weg ist, und es da einige nette Optionen für ein Bier am Vorabend gibt. Es blieb allerdings nicht bei dem einen Bier, und so war der Aufbruch am nächsten Morgen später als erhofft, die Augen und die Beine schwer, und die Regentropfen passten auch nicht so recht zu einem erfolgreichen Strahlerausflug. Das i-Tüpfelchen war, dass Steve nur Joggingschuhe für die Gletschertour mitgebracht hatte, und wir warten mussten, bis der Intersport in Chamonix seine Tore öffnete, um spontan noch neue Bergschuhe zu kaufen.
Aller Anfang ist schwer, aber entgegen den Erwartungen wurde das Wetter besser, und Steve, bisher ausschließlich auf dem Surfbrett unterwegs, war in den Bergen überraschend gut zu Fuß! So kamen wir mit der Zeit immer höher, sogar bis in die Nähe des Gletschers. Mein Fokus war hauptsächlich darauf ausgerichtet, einen Souvenierkristall für Steve aus einer alten Kluft zu kratzen, aber was die nächsten Stunden für uns bereit hielten, war wie im Märchen!
Die ersten Kluftanzeichen waren eine alte Bandtasche mit etwas Chlorit, leer und vom Gletscher schön ausgekratzt. Ich war kurz davor weiter zu stapfen, als ich in der Verlängerung desselben Satzes nach drei Metern das Sinnbild einer alpinen Quartzkluft ausmachen konnte: Eine 1 Meter breite Vertiefung im Satz, gefüllt mit Sand und Geröll, mit zwei drei Quarzkristallen bereits in der Sonne glitzernd! An diesem Punkt begann ich bereits zu jubeln – während Steve sich nicht ganz auskannte, was gerade geschehen war. Er war zwar glücklich über die zwei Kristalle, die er auflesen konnte, aber war dann bereit weiterzugehen. Ich erklärte ihm, dass dies erst der Anfang war, und dass wir nun in das Geröll hineingraben mussten.
Die Kluftdecke lag auf dem Inhalt und war das erste größere Stück, das wir entfernten. Sie war gut gepolstert mit Sand, Geröll und Kluftlehm und hatte einen 20 cm breiten, rauchigen Doppelender auf ihr. Von da an war es wie in den Strahlerzeitschriften so schön beschrieben: Kartoffeln ernten – und was für Kartoffeln das waren! Schön glasklare, leicht rauchige Bergkristalle bis zu 20 cm, viele Einzelspitzen wegen dem Eis – aber teilweise auch in Gruppen. Das Ausmaß der Kluft betrug am Ende etwa 4,0x2,5x0,4 Metern.
Nach etwa ein bis zwei Stunde Ernten (sofern man seinem Zeitgefühl in dem Moment trauen kann…), zog ich einen größeren plattigen Quarz heraus, und mir fiel sofort die leichte Drehung auf. Da war es also: Das erste Gwindel der Kluft – etwa 9x10 cm groß und glasklar!
Es gibt keine Worte, die solche Momente passend beschreiben, ich kann nur allen von Herzen wünschen, einmal im Leben so etwas erleben zu dürfen.
Nach drei, vielleicht auch vier Stunden hatten wir die losen Stücke großteils geerntet – aber Halt! War da nicht noch eine lose Platte ganz am Schluss? Wir legten sie vorsichtig frei, vergrößerten eine Engstelle in der Kluft und, wie beim Tetris spielen, passten penibelst darauf auf, dass die Stufe nichts touchierte. Dieses Stück war das „Herz“ der Kluft: Eine etwa 20 cm lange Platte mit einem 11x10x4 cm großen, glasklaren Gwindel drauf, umgeben von weiteren klaren Bergkristallen. Ich konnte es nicht fassen. Auch Steve war fasziniert, war er doch unter dem Eindruck, dass dies ein super Hobby ist, bei dem man offenbar immer viele schöne Kristalle findet. So viel zum Anfängerglück!
Zu Hause beim Waschen stellte sich heraus, dass bei einigen Stücken auf der Rückseite rosa Fluoritoktaeder waren. Es war das erste Mal, dass ich dieses begehrte Mineral finden durfte. Die restliche Paragenese war typisch für die Mont-Blanc-Zone: Leichter rauchiger Bergkristall, mit etwa 20 massiven Gwindeln, Rosafluorit und Adular. 80% des Inhalts waren nicht chloritisiert und schön wasserklar. Es waren einige hundert Stücke, und etwa zehn gut gefüllte Rucksäcke, die wir der Kluft entnehmen konnten, was den steilen, teils weglosen Rückweg schwierig gestaltete!
Später wurde mir gesagt, dass diese Zone des Glacier du Trient davor als kluftlos angesehen und deshalb von vielen Strahlern ignoriert wurde. In der Nachsuche kann ich bestätigen, dass in einem Umkreis von gut 100 Metern keine weiteren Kluftanzeichen zu finden sind.
Steve packte, wie kann es nach so einem grandiosen Start auch anders sein, das Kristallfieber, und nach zahlreichen weiteren Touren hat sich seine Erfolgsquote auch etwas normalisiert. Was uns bleibt, sind schöne neue Stücke in unseren Sammlungen, einmalige Erinnerungen und eine lustige Geschichte für Abende mit Freunden. Wir freuen uns schon auf die nächste Kluft!