Das Gold des Monte Rosa und seine Geschichte
Dank modernster Technik gelang einer der bedeutendsten Goldfunde des 21. Jahrhunderts im Alpenraum. Von einer Schatzsuche an der am Ende die Wahrheit siegte.
Inhaltsverzeichnis
Bergbau am Monte Rosa
Die Goldvorkommen des Monte Rosa streichen großräumig längs der östlichen Seite dieses Gebirgszuges. Die goldführenden Züge bestehen hauptsächlich aus Quarz, zu denen sich Calcit, und magnesiareiche
Karbonate hinzugesellen, die aus der Umwandlung der Erzmineralien entstanden sind. Zumeist handelt es sich um einzelne Einsprengungen, welche an einigen Orten massive Konzentrationen erreichen können.
Der Goldabbau in den Tälern des italienischen Aostatales muss sehr alt sein. An einem Ort am Eingang des Aostatales, Bessa genannt, förderten die alten Römer unglaubliche 200.000 Kilogramm Gold ans Tageslicht. Der berühmte römische Naturforscher Plinius errechnete dies. Fünftausend Sklaven durften damals laut Verordnung für die römischen Herren schuften. Eine ideale Zahl. Fehlten ein paar, wäre die Ausbeute nicht mehr so ergiebig gewesen. Einige zu viel und die Römer wären womöglich vom sich zusammenrottenden aufständischen Sklavengesindel kurz und klein geschlagen worden. Die alten Römer schafften es, alles Gold in nicht einmal einem Jahrhundert aus dem Geröll herauszuwaschen. Deshalb findet man heute in der Bessa keinen einzigen Krümel mehr.
Wir hatten auch nicht vor uns mit Krümeln zu beschäftigen. Besonders in der Val d’Ayas stieß man Mitte des 18. Jahrhunderts auf einige alte Stollen. Einer davon, in Bouchej, enthielt eine Unzahl hervorragender Goldstufen auf Bergkristall, so dass er in die Geschichte einging. Allerdings standen immer schon die Mythen im Vordergrund. Sie berichten, dass einmal ein Bergmann einen besonderen Goldklumpen entdeckte. Da er sicher war, von den Aufsehern durchsucht zu werden, brachte er sich am Oberschenkel eine tiefe Wunde bei. Darin versteckte er das Gold, so höllisch weh es ihm tat. Er schaffte es wirklich, den Schatz aus dem Bergwerk zu schmuggeln. Doch die Wahrheit kam ans Tageslicht. Zur Strafe hackte man ihm den Fuß ab und nagelte diesen zur Warnung an den Eingang des Bergwerks.
Im Jahr 1842 waren in den Tälern Anzasca, Toppa und Antrona schon vierhundert Arbeiter beschäftigt, welche 194 kg Gold gewannen. Die Ausbeute aus den Bergwerken schwankte jedoch von Jahr zu Jahr. Die besonders goldreichen Gänge wurden deshalb von den Bergleuten „spade“, „Schwerter“, genannt, da sie in Form von verlängerten Linsen auftraten. Sie bildeten Gegenstand der Hoffnung und der Suche aller: Ein einziges „Schwert“ konnte manchmal bis zu 40 kg Gold enthalten.
Im Jahr 1898 wurde in Genf die Schweizer Gesellschaft „Société des Mines d‘Or de l‘Evançon“ gegründet. Unter anderem versprach diese gutgläubigen Aktionären, dass sich am östlich von Brusson gelegenen Berges Ciamousira in der Nähe des Weilers La Croix Gold haufenweise befände. Ein Wagnis! Die Schweizer waren allerdings schnell am Ende. Doch das Vertrauen anderer Anleger hatte mittlerweile im Jahr 1902 die englische „The Evançon Gold Mining Company Ltd“ geweckt. „SPERANZA“ die „HOFFNUNG“ nannten sie einen neuen, vom Fenillaz-Gang in der Mitte des Berges, abzweigenden Stollenteil. Fünfhundert Bergleute bohrten für die englische Gesellschaft sieben Zugangsstollen. „Livelli“ nannten sie diese. Dazwischen höhlten sie die Felsen aus und bauten die bis zwei Meter dicke Quarzader ab und dies auf einer Länge von 2.500 Metern. Im Jahre 1910 schloss man die Minen „nachdem der reiche Fenillazgang zu ungefähr zwei Dritteilen abgebaut worden war.
Die Schatzkarte des Dr. Reinhold
Gleich danach beauftragte der Schweizer Mineralogieprofessor Carl Schmidt den jungen niederländischen Studenten Thomas Reinhold mit einer Dissertation über „Die Goldpyritgänge von Brusson in Piemont“ und stellte ihm all seine Unterlagen, sowie jener der mittlerweile liquidierten Goldgesellschaft zur Verfügung.
Reinhold tat dies mit Akribie und beendete das Werk am 8. März 1916. Er schrieb: „Das Gold findet sich fast ausschließlich als Freigold. Auf den ersten Blick scheinen sich die Goldfundstellen im ganzen Gang unregelmäßig fleckenartig zu verbreiten.“ Und weiter „Die hier beschriebenen Goldanreicherungen können sehr beträchtlich sein und in seltenen Fällen eine lokale Ausdehnung von mehreren Kubikmetern besitzen. So fand man, ungefähr in der Mitte der Grube, am oberen Stoss der Galerie Nr. 4, 185–187 m vom Mundloch entfernt, am 29. Mai 1908 in 462 kg Gangmasse 40 kg Gold. Ein benachbartes Erznest von 244 kg Gangmasse enthielt 28 kg Gold. Noch im Februar 1909 fand man mehr im Liegenden zwischen Stollen 4 und 5 eine goldreiche Zone von 58 kg Quarz mit 3 kg Freigold."
Und als ob das noch nicht ausreichte, zeichnete der penible Student wie in einer Schatzkarte die einzelnen großen Goldfunde der Vergangenheit ein. Mit einer Beschreibung seines mineralogischen Wissens, „... dass die reichsten Goldfundstellen vorwiegend dort gefunden wurden, wo der Gang die Glimmerschiefer in der Nähe des Kalkes durchsetzt.“ Und er endete „Die totale Ausbeute von Erz in den Jahren 1904 – 1909 beläuft sich auf ... 716,953 kg Gold.“
Lockruf des Goldes
Wir folgerten: Es mussten noch mindestens 300 kg Gold in diesen Stollen zu finden sein. Und um 1900 gab es noch keine Detektoren. Wir - die Zwillinge Mario und Lino Pallaoro, Federico Morelli aus der italienischen Provinz Trentino, Georg Kandutsch und Michael Wachtler - brachen auf. Allerdings mit nicht viel Hoffnung. Gold in solchen Mengen kann doch nicht nur zur Abholung daliegen! Wir nahmen das dürre Büchlein mitsamt seinen eingezeichneten Goldfunden mit. Wir entzündeten die Karbidlampen, überschritten das rostige Tor, wateten knietief im kalten Wasser. In einem Seitenstollen hörten wir die Geräusche des letzten Goldssuchers florindo Bitossi. Seit Jahrzehnten baute er mit altmodischen Maschine das Gestein ab. Ein paar Krümel Gold waren manchmal sein Lohn. Sein Körper war ausgezehrt wie der Felsen. Im Jahr 2006 sollte er das Zeitliche segnen.
Dann standen wir am Punkt wo einst, im fernen Jahr 1908, unglaubliche 68 kg reines Gold gefunden worden waren. In Gedanken stellten wir uns die Menge vor, den Jubel der Bergarbeiter, die trotzdem deswegen keinen Cent mehr Lohn bekamen. Und denen es schlussendlich auch egal war, wie dieses Gold hierhergekommen oder wie es entstanden war.
Dann zogen wir einen Metaldetektor der neuesten Generation aus unseren Rucksäcken. Haufenweise lagen tausende funkelnde Bergkristalle in allen Variationen, von klein bis groß in den Halden. Anfangs beachteten wir sie noch. Dann nicht mehr. Der Detektor schlug an. Zuerst in der Halde. Wahrscheinlich hatten frühere Bergarbeiter ein Felsstück heruntergesprengt und nicht sorgsam genug den Abraum durchsucht. Goldstück um Goldstück kam heraus. Wie Kunstwerke der Natur.
Teilweise entwuchsen dem reingelben Edelmetall Bergkristalle, dann wiederum zeigte es sich in den schönsten Formen auskristallisiert. „Was ist wenn der Berg plötzlich zusammenbrechen würde!“ Schon der Gedanke machte Angst. Niemand würde uns finden.
Wir arbeiteten wie im Wahn und merkten in der Kälte und Dunkelheit trotzdem kein Fortschreiten der Zeit. Spät abends suchten wir ein Quartier im Touristenort Brusson. Wir erzählten vieles bei Bier und Wein. Am nächsten Morgen waren wir schon wieder im Bergwerk der „Hoffnung“, der „Speranza“. Die Blöcke wurden immer größer und überall funkelte Gold heraus.
Ein Ende
„Schweigen oder Sprechen“ beschäftigte uns am meisten. Denn: „Gold gehört nie demjenigen, der es findet“. Wir entschieden uns für das Erzählen. Wir stellten die Funde bei den Mineralientagen in München zur Schau und tausende staunten, dass so etwas überhaupt in der Neuzeit möglich sei. Unser Besitztrieb war nicht sonderlich ausgeprägt. Wieso auch: Nur um das Gold im eigenen Garten zu vergraben, hätten wir es auch im Bergwerk zurücklassen können. Polizei und Staatsanwaltschaft schalteten sich ein. Das Gold wurde gemessen, gewogen und geschätzt. 30 kg sollen es insgesamt gewesen sein. Ein jeder holte sich seine Teile. Die Museen im Aostatal, im Piemont und in Mailand. Etwas blieb uns immer: Die Geschichte! Ganz abgesehen: Taten wir es wirklich wegen des Geldes? Oder wegen des Abenteuers und dem Wissen freie Menschen zu sein.
Im Jahr 2015 öffneten sie dann mit viel architektonischer Kühnheit das „Museo dell’Oro“, genau an jener Stelle wo wir die Funde taten. Sie erzählten die Geschichte des einst glorreichen Goldabbaues. Sie versiegelten die Felsen, damit niemand nur annähernd weitere Goldkrümel fände. Aber das hatten wir auch nicht weiter vor. Uns zog es zu neuen Ufern und Entdeckungen. Im Wissen für uns Großes gefunden zu haben.