Mineral-Seltenheit: Vesuvianit-Kristalle vom Quarzbergwerk Stanzen im Bayerischen Wald
Das stillgelegte Quarzbergwerk Stanzen am Ecker Sattel im Bayerischen Wald liegt in einer Region, die für ihre mineralogische Vielfalt bekannt ist. Pegmatite der näheren Umgebung, wie am Hühnerkobel, gelten als bedeutende Fundorte seltener Mineralien. Der Zwieselit etwa wurde nach dem nahegelegenen Ort Zwiesel benannt, der auch als Typlokalität gilt.Besonders bemerkenswert ist hier das seltene Vorkommen von Vesuvianit, das durch spezifische geologische Prozesse gebildet wurde.
Geographische Lage
Am Ecker Sattel auf der Lamer Seite zwischen Arnbruck und Arrach im Lamer Winkel befindet sich ein schon lange stillgelegtes Quarzbergwerk mit einer seltenen Mineralführung, die durch den Kontakt eines Pegmatits mit einem Kalksilikatfelsen verursacht wurde. Das wohl seltenste Mineral in diesem Gesteinskontakt ist der Vesuvianit.
Abbaugeschichte
aus: Pfaffl (1993):
Bei Flurl (1792) finden wir bereits die erste Beschreibung der Lagerstätte auf der Stanzen. Er schreibt: „Vor dem Hörlberg musste nämlich der Glashüttenmeister v. Schmaus den zur Glasverfertigung benötigten Quarz von der Hohen Stanzen wohl 3 1/2 Stunden weit durch schreckbare Wege herbeiführen.“
Im Jahre 1789 wurde der Quarzbruch auf der Stanzen durch den nähergelegenen Hörlberg-Bruch abgelöst. Flurl nennt weiter Farbnuancen beim Quarz und Glimmer. Wineberger (1851) beschreibt ebenfalls Farbnuancen beim Quarz und führt als akzessorische Mineralien Albit, Turmalin und Granatkristalle an. Gümbel (1868) bezeichnet die Stanzen als bedeutenden Pegmatitfundort. Kalkowsky (1915) untersuchte opaleszierenden Quarz von dieser Lagerstätte, während sich im späteren Schrifttum nur noch Hinweise auf die Örtlichkeit finden. Um die Jahrhundertwende baute man auch etwas Straßenschotter ab. Der Betreiber des Untertagebaues und die Abbauzeiten konnten vom Verfasser nicht in Erfahrung gebracht werden.
Geologisch-petrographische Verhältnisse
Die Lagerstätte befindet sich in einer Übergangszone zwischen den Glimmerschiefern des Osser-Gebietes (Künisches Gebirge) im NNE und den Granat-Cordierit-Sillimanit-Gneisen (Arber-Gneise) des Arber-Kaitersberg-Zuges SW folgend. Es liegt ein kontinuierlicher Übergang vor, der am Wege von Lam zum Ecker Sattel gut studiert werden kann. Eine Serie von Glimmerschiefern, Quarziten, Graphitquarziten mit Einlagerungen von Amphiboliten und Marmor schließt sich SE an das Gabbroamphibolitmassiv von Neukirchen beim Hl. Blut. Einer Klärung bedurfte noch der Verband zwischen der Glimmerschieferzone und den im SW folgenden Gneisen. In einer Kartierung von Blümel (1966, 1970, 1972) wird zwischen den Glimmerschiefern und den Arbergneisen eine Übergangszone ausgeschieden und zwar: Von phyllitischen Glimmerschiefern im Norden über Granatglimmerschiefer, Biotitgneise mit und ohne Sillimanit zu anatektischen Cordierit- und Granat-Cordieritgneisen im Süden.
Die heutige Deutung geht von drei Stockwerken aus: zuoberst die Osserphyllite (Almandin-Andalusit-Muskovitphyllit möglicherweise ordovizischer Herkunft), im mittleren Stockwerk ältere (kambrische?) Schiefer, Gneise bis Gneisschiefer, teils mit Graphitführung (Lamer Seite), teils mit Disthenführung (Panzer-Ostseite) teils mit stärkerer Andalusitführung (unterm Velký Kokrhač im Osserzug), als Basement dann die jungcadomischen Cordierit-Sillimanit-Almandingneise (CSAGn), die die gesamte monotone Zone zwischen mittlerer Oberpfalz und dem Mühlviertel (Hochficht) neben diversen Graniten einnehmen. Die Blümel‘sche Übergangszone wird z.B. von den Sillimanit-Schiefergneisen im Wald von Ribenzing bei Thening Nähe Hohenwarth im Weißenregental repräsentiert.
Kristallographie und Mineralogie vom Vesuvianit
Der Vesuvianit ist strukturell ein Gruppensilikat (Sorosilikat) mit sehr komplexem Aufbau und ferner verwandt mit der Epidotgruppe. Heutige komplexe Formel (nach: mineralienatlas.de)
(Ca,Na)19(Al,Mg,Fe)13(SiO4)10(Si2O7)4(OH,F,O)10
Er ist durch seine diadochen Vertretungen chemisch kompliziert. Für Ca kann Na und für Al in geringerem Umfang Mg, noch weniger Fe (meistens dreiwertig) eintreten. Es sind Gehalte von bis zu 9% Fe2O3 und 3,7% MgO (Werte Mineralienatlas in der empirischen Formel: Al 60%, Mg 30% und Fe 10% innerhalb der diadochen Gruppe) bekannt, auch Mn (Mangan-Vesuvian) ist im Gitter ab und an enthalten.
Das Mineral ist tetragonal, besitzt Glas-bis Fettglanz. Härte: 6,5.
Er wurde 1795 von Abraham Gottlob Werner nach seinem ersten Fundort, dem Vulkan Vesuv (Monte Somma), benannt, der bis heute als Typlokalität gilt. Es ist auch unter verschiedenen Synonymen bekannt, wie Idokras (eine alternative Bezeichnung für Vesuvianit). Eine besondere Variante ist der Egeran, eine braune, stängelige Form des Vesuvianits, die Johann Wolfgang von Goethe sehr geschätzt hat. Der Name Egeran leitet sich von der Fundstelle in der Nähe von Eger (heute Cheb) ab, genauer gesagt von Ottersbühl auf der deutschen Seite, in der Nähe des ehemaligen Talkabbaus bei Göpfersgrün im Fichtelgebirge. Heute ist Vesuvianit als eigenständiges Mineral anerkannt.
Auf der Stanzen kommt Vesuvianit in dunkelbraunen, kurz- und dicksäuligen, gestreiften, in Quarz eingewachsenen Kristallen vor. Die Streifung unterscheidet ihn vom Granat. Kristallographisch treten die Flächen (100) (110) (101) auf, es sind jedoch auch weitere Flächen möglich. Es ist ein Fund in den 90ern gelungen, bei welchen ein einfacher tetragonaler Quader ohne Endbegrenzung dunkelgrün im Quarz mit Resten Kalksilikatfels am Rand eingewachsen ist.
Mineralführung
Graphit, Pyrrhotin, Korund, Ilmenit, Quarz, limonitisierter Pyrit, Calcit, Apatit, Autunit, Granat: Spessartin-Almandin-Mischkristalle mit Almandinvormacht und Grossular (Hessonit) Andalusit, Titanit, Scheelit, Dumortierit, Vesuvian, Turmalin: Schörl-Dravit-Mischkristalle, Pyroxen: Diopsid-Hedenbergit-Mischkristalle, Hornblende, Wollastonit, Muskovit, Phlogopit, Biotit, Mikroklinperthit, Plagioklas: Albit (Pfaffl 1973, Sperling 1990).
Per Grabung kann Vesuvianit mit viel Glück noch gefunden werden. An der Oberfläche ist Dumortierit als feine bläuliche Fasern im feinkörnigen Schriftgranit zu beobachten. (Zustand nach Pfaffl & Hirche 2003)
Quellen
- Blümel, P. (1972): Die Analyse von Kristallisation und Deformation einer metamorphen Zonenfolge im Moldanubikum vom Lam-Bodenmais, E-Bayern. - Jb. Min. Abh. 118, S. 74-96, Schweizerbart, Stuttgart
- Flurl, M. (1792): Beschreibung der Gebürge von Baiern und der oberen Pfalz. - München.
- Gümbel, C. W. v. (1868): Geognostische Beschreibung des Koenigreiches Bayern. II. Abtheilung. Das ostbayerische Grenzgebirge. - 968 S. Justus Perthes, Gotha.
- Hirche, Th. (1998): Eine mineralogische Wanderexkursion durch den Bayerischen Wald. – III+67 S., Sepp Dötsch Verlag, Zwiesel.
- Kalkowsky, E. (1915): Opaleszierender Quarz. – Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie, 55: 23-50; Leipzig (Verlag von Wilhelm Engelmann).
- Kalkowsky, E. (1919): Über Gneiß und Granit des bojischen Gneißstockwerkes im Oberpfälzer Waldgebirge. - N. Jb. Min., Teil 1, S. 29-41, Schweizerbart, Stuttgart.
- Pfaffl, F. (1973): Die Pegmatit- und Kontaktlagerstätte Stanzen bei Eck im Bayerischen Wald. – Der Aufschluß, 24, S. 236-240, Heidelberg.
- Pfaffl, F. (1993): Die Mineralien des Bayerischen Waldes. – 4. Auflage, Band 1 der Mineralogie Bayerns. - 291 S., Morsak-Verlag, Grafenau.
- Sperling, Th. (1990): Neue Mineralien aus dem Pegmatit Stanzen bei Eck im Bayerischen Wald. - Der Bayerische Wald, 23, S. 5-9, Grafenau.
- Wineberger, L. (1851): Versuch einer geognostischen Beschreibung des Bayerischen Waldgebirges und des Neuburger Waldes. - Passau.