Die Quecksilbergrube Neue Rhonard bei Olpe im nördlichen Siegerländer Erzrevier
In einer kurzen Blütezeit wurde hier eines der reichsten Quecksilbererzvorkommen Deutschlands abgebaut. Dieser Beitrag beschreibt einige interessante Neufunde von den Halden der Grube.
Beinahe übersehen: eines der reichsten Quecksilbervorkommen in Deutschland
Die nördlichsten Vorkommen des Siegerland-Wieder-Spateisensteinreviers reichten bis ins südliche Sauerland hinein. Zu den bekanntesten Fundorten gehörten hier die Kupfergrube Vereinigte Rhonard und die Quecksilbergrube Neue Rhonard am Rhonardberg östlich der Stadt Olpe. Sie werden zu einem Gangzug gezählt, der sich zwischen Littfeld und Olpe in nordwestlicher Richtung auf über 3 km Länge erstreckte (GOLZE et al. 2012). In Bezug auf seine Mineralführung war dieser Gangzug erstaunlich abwechslungsreich. Siderit stellte in vielen Vorkommen das dominierende Mineral dar. In einigen Gruben wie beispielsweise Vereinigte Rhonard fanden sich jedoch auch Kupfererze sehr reichhaltig. Andere Bergwerke des Gangzuges hingegen bauten Galenit ab. Ganz aus dem Rahmen fällt jedoch die Grube Neue Rhonard, die „Roteisenstein“ (Hämatit), Baryt und Cinnabarit (Zinnober) führte.
Vermutlich hat die Kupfererzgewinnung am Rhonardberg schon vor dem 16. Jahrhundert eingesetzt. Die Tatsache, dass die Kupfergrube Vereinigte Rhonard als eine der ersten Gruben des Siegerländer Reviers über eine Wasserkunstanlage verfügte, unterstreicht ihre große Bedeutung. Im Jahre 1809 jedoch galt die Grube als erschöpft, bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde noch ein Nachlesebergbau auf Eisenerz betrieben.
Die wirtschaftlich bedeutende Ära der Kupfergewinnung lag schon einige Jahrzehnte zurück, als man sich wenige hundert Meter weiter westlich aufmachte, einen Braun- und Roteisensteingang zu erschließen. In den 1840er-Jahren hatte hier die Grube Neue Rhonard ihren Betrieb aufgenommen. Ihre Blütezeit sollte aber eher kurz sein und einem Erz gelten, das man hier nicht erwartet hatte. In dem maximal 6 m mächtigen „Roteisensteingang“ (Hämatit) fand sich eine bedeutende Menge von Cinnabarit, der teils erdig, überwiegend jedoch kristallin vorkam. Begleitet wurde er von Hämatit, Brauneisenerz, Pyrit, Quarz und Baryt. Das 1863 entdeckte Vorkommen soll eine der reichsten in Deutschland je beobachteten Cinnabaritvererzungen gewesen sein. Die Ausbeute übertraf die von vergleichbaren Gruben in der Pfalz bei weitem. Der Cinnabarit durchsetzte das Hämatit- und Brauneisenerz in bis zu 10 cm breiten, unregelmäßigen Schnüren und bis kopfgroßen Nestern. An den Stellen, an denen er den begleitenden Quarz imprägnierte, bildete er nicht selten kleine Kristalle.
Das Cinnabarit führende Gangstück erreichte eine Länge von 15 m, ein weiteres, weniger bedeutenderes Gangmittel 7 m. Um aus dem Erz Quecksilber gewinnen zu können, wurde die nahe gelegene Stachelauer Metallhütte, ursprünglich eine Bleihütte, zu einer Quecksilberhütte umgerüstet. Auf dem Höhepunkt der Förderung konnten in den Jahren 1864 und 1865 insgesamt 428 t Zinnobererz gefördert werden. Doch nach 1867 verloren sich bereits die Anbrüche, und trotz ausgedehnter Untersuchungsarbeiten konnten in den folgenden Jahren keine neuen Vorräte entdeckt werden. 1878 wurde die Grube Neue Rhonard stillgelegt.
Kurios: Beinahe hätte man dieses überregional bedeutende Quecksilbervorkommen überhaupt nicht bemerkt. Nachdem die erste Eisenerzausbeute nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatte, hatte die Grube Neue Rhonard 1858 einen neuen Besitzer bekommen, der das dunkelrote Wasser der Grube analysieren ließ. Die Analyse ergab überraschend einen Quecksilbergehalt. Das Cinnabarit enthaltende, stark mit tonigen Letten und mit Gangart verwachsene Gestein war zuvor auf die Halde geschüttet worden, wie Grebel (zitiert in NOSTIZ 1912) berichtete. Schon bald war es als Straßen- und Wegebaumaterial weiter verwendet worden. Folglich wurden die neu gebauten Straßen und Wege wieder aufgerissen und der Straßenschotter zur Quecksilbergewinnung verwertet.
Cinnabarit
Die Gruben Neue Rhonard und Vereinigte Rhonard werden oft verwechselt oder für ein und dieselbe Fundstelle gehalten. Jedoch sind die Mineralisationen trotz ihrer räumlichen Nähe grundverschieden. Bei Vereinigte Rhonard hat es sich um eine Siderit-Lagerstätte mit starker Chalkopyrit-Führung gehandelt, die jedoch keinen Cinnabarit führte. Als Rarität entdeckte man hier Millerit sowie Nickelin in Begleitung von Gersdorffit und Pyrargyrit (LASPEYRES 1893). Diese Mineralien fehlen jedoch auf Grube Neue Rhonard. Lediglich Spuren von Chalkopyrit konnten als Neufunde von den Halden belegt werden.
Aus den Betriebszeiten der Grube Neue Rhonard sind einige wenige Cinnabarit-Stufen in den Sammlungen zu finden. Zumeist handelt es sich um derbe erdige oder dichte leuchtend rote Einschlüsse in einer Matrix aus Brauneisenerz (Limonit) und Hämatit. Die Fundortangaben wie „Alte Rhonard“ oder einfach nur „Rhonard“ sind mitunter irreführend und lassen auf die mehrfach genannte, alte Kupfergrube schließen. Jedoch werden alle Cinnabarite aus der Grube Neue Rhonard stammen.
Quecksilbermineralien sind außer von Neue Rhonard im Siegerländer Revier hauptsächlich von den Bergwerken um Müsen, Littfeld und Silberg bekannt.
Vor allem die Gruben Heinrichssegen und Merkur haben gute Cinnabarit-Kristalle geliefert – in einem Steinbruch am Fuße des Kittelsberges unweit der Grube Merkur sollen sie sogar bis 2 Zoll gemessen haben (BISCHOFF 1865) – das sind rund 5 Zentimeter!
Bemerkenswerte Manganmineralien
Goethit als Hauptbestandteil des Brauneisenerzes als auch Hämatit präsentieren sich in Hohlräumen in der bekannten „Glaskopf“-Form. Die hochglänzenden, silberschwarzen Hämatit-Kugeln und -Nieren bezeichnet man im Siegerland auch als „Hydrohämatit“.
Lepidokrokit kommt untergeordnet vor. Interessanter sind die sekundären Manganminerale, die als Neufunde in den letzten Jahren entdeckt worden sind. Darunter befinden sich mit Hollandit und Lithiophorit zwei Mineralien, die nicht nur als Raritäten für das Erzrevier Siegerland-Wied gelten, sondern zudem auch hervorragend ausgebildet sind.
Nur wenigen ist bekannt, dass Lithiophorit ein schon lange aus dem Siegerland bekanntes Mineral ist, welches aber für mehr als ein Jahrhundert dann völlig in Vergessenheit geraten ist. Kurz nach der Entdeckung in Schneeberg im Erzgebirge hatte LASPEYRES (1873) das Mineral aus der Grube Kalterborn bei Eiserfeld beschrieben, zweifelte jedoch an der Eigenständigkeit des Minerals generell. Erst im Zuge der Arbeiten an dem Buch „Siegerland & Westerwald“ (GOLZE et al. 2012) tauchte die alte Quelle von LASPEYRES wieder auf, nachdem – unweit dieser Fundstelle – in der Grube Römel zwischen Eiserfeld und Neunkirchen ein Lithiophorit-Neufund gelungen war. Die Lithiophorit-Stufen von Neue Rhonard jedoch stellen die Neufunde von Grube Römel deutlich in den Schatten! Für die analytische Bestimmung von Hollandit und Lithiophorit sind wir Herrn Günter BLASS aus Eschweiler zu großem Dank verpflichtet.
Das Barium-haltige Manganoxid Hollandit bildet große grauschwarze Kugeln und Nieren, die sogenannten „Schwarzen Glasköpfe“, mit radialstrahligem Aufbau. Die kugeligen Aggregate erreichen Durchmesser von 1 bis 2 Zentimetern, attraktive Stufen mit Abmessungen von rund 9 cm stellen gute Vitrinenstücke dar. Auch Lithiophorit überzieht in bräunlichgrauen bis fast schwarzen, „Glaskopf“-artigen Krusten den Quarz sehr flächenreich. Die 1 bis 2 mm dicken Schichten bestehen, wie der Blick durch das Rasterelektronenmikroskop offenbart, aus einer Vielzahl winziger tafeliger Kriställchen.
Sulfidische Erzmineralien wie Pyrit und Chalkopyrit scheinen in der Grube Neue Rhonard nur sporadisch in kleinsten Mengen vorgekommen sein. In einem Fundstück von der Halde konnte Chalkosin recht reichhaltig in derben Massen zusammen mit grünem, blättrig-krustigem Brochantit als Neubildung belegt werden.
Tonminerale – vermutlich Illit, Muskovit und/oder Silikate der Kaolinit-Gruppe – sind in Spalten und Hohlräumen des Gesteins allgegenwärtig. Als Gangarten kommen Quarz und Baryt vor, derb als auch in Kristallen. Bei den Quarzen handelt es sich zumeist nur um winzige Kristallspitzen, die rasenartig Hohlräume auskleiden. Tafelige oder meiselartig ausgebildete, farblose, weiße, fleischfarbene oder leicht gelbliche Baryt-Kristalle hingegen können mitunter Größen um 1 cm erreichen. Sehr kleine, sekundär gebildete Baryte entwickeln erst unter dem Mikroskop ihre wahre Pracht, wenn sie beinahe transparent und stark glänzend dem Hollandit direkt aufsitzen – eine ungewöhnliche Paragenese.
Fundmöglichkeiten
Die in diesem Beitrag beschriebenen Mineralien wurden in den letzten Jahren auf den Halden – vor allem der Stollenhalde – der Grube Neue Rhonard gefunden. Jedoch muss bemerkt werden, dass trotz relativ großen Aufwands nur sehr wenige Stufen geborgen worden sind.
Der größte Teil der Halde besteht aus taubem Gestein und ist von schweren lehmigen Massen durchsetzt, die zum einen das Suchen erschweren und zum anderen eventuell in den Steinen enthaltene Mineralien unkenntlich macht.