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Die große Apatitkluft am Finagl

Im Sommer 1994 entdeckte Erwin Burgsteiner am Großen Finagl im Untersulzbachtal in Österreich eine ergiebige Kluft mit vielen ausgezeichneten Periklin-Adular-Sphen und Apatitstufen.

Das Herzstück der großen Apatitstufe (Detailaufnahme) – das Ensemble von 8 cm großen Apatiten.
Das Herzstück der großen Apatitstufe (Detailaufnahme) – das Ensemble von 8 cm großen Apatiten. Maximilian Schiller

Die Entdeckung der Kluft

In den letzten Julitagen des Jahres 1994 streifte ich durch die überaus steilen Felspartien des Großen Finagls, von dem man in den vergangenen Jahren immer wieder mineralogisch Interessantes gehört hatte. In den Klüften des Amphibolits fanden sich stets in guter Ausbildung: Apatit, Prehnit, Quarz, Adular, Periklin und Sphen. Bei meinen früheren Gängen durch dieses Gebiet hatte ich zwar einige kleinere Klüfte entdeckt, nie aber eine wirklich gute. Auch diesmal schien es so zu bleiben und ich freundete mich bereits mit dem Gedanken an, bald ins Tal abzusteigen, denn die Sonne stand schon tief. Richtig enttäuscht war ich nicht, als ich müde zu Hause ankam, denn keine Klüfte zu finden war wesentlich häufiger als Erfolg zu haben.

Am nächsten Tag bekam ich Besuch von einem Steinsucher aus Deutschland. Er erzählte mir, dass er am Finagl gewesen sein und dort in einer Kluft schöne Steine gefunden hatte. Zeigen konnte er zwar nichts, aber er beschrieb seine Funde so gut, dass ich mir vornahm, doch einen weiteren Versuch zu starten. Einen Tag später stieg ich wieder den langen und steilen Weg über die Wiesegg-Hütte hinauf bis zu den Amphibolitfelsen des Großen Finagls. Dabei kam ich an der frisch bearbeiteten Kluft des Gastes vorbei, konnte mir aber nicht vorstellen, dass hier wirklich  gute Steine gefunden worden waren. Der Vormittag verstrich schnell ohne irgendein kristallines Anzeichen und auch am Nachmittag zeigte sich wenig. Ich befand mich noch in der Gipfelregion, die Lust am Suchen hatte schon abgenommen, und mit mindestens drei Stunden bis nach Hause musste ich noch rechnen. In etwa 2600 m Seehöhe querte ich eine steile Rinne. Plötzlich bemerkte ich zwischen größeren Geröllbrocken ein kleines Stück Adular, das von der Art der Ausbildung auf eine gute Kluft schließen ließ. Allerdings fallen solche Kluftstücke nur sehr selten allein aus einer Kluft. Immerhin gab mir das kleine Stück Adular einen neuen Energieschub und ich wollte den Herkunftsort auskundschaften und mir wenigstens den ausgebeuteten Hohlraum ansehen. Ich glaubte auch bald, den Ursprungsort entdeckt zu haben und steuerte auf eine massive Quarzader am oberen Ende der Rinne zu. Doch hier war nichts von einer Kluft zu erkennen. Erst als ich mit meinen Blicken die möglichen Falllinien rekonstruiert hatte, sah ich oberhalb eines leicht überhängenden Felskopfes die Spur eines Quarzbandes, konnte mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass in dieser extremen und überhängenden Wand schon jemals ein Steinsucher gearbeitet hatte. Ich wollte es einfach wissen und stieg links über ein schmales, grasbewachsenes Band aufwärts. Dort fand ich ein schmales Klüftchen mit kleinen, tauben Sphenen und unbedeutenden Skelettquarzen. Oberhalb dieses Felskopfes konnte die Kluft nicht mehr liegen, deshalb machte ich mich an den Abstieg. Einfach war die Kletterei nicht, vor allem der Tiefblick flößte mir Respekt ein. Dann stand ich wieder dort, wo ich das kleine Adularstück entdeckt hatte. Ich blieb hartnäckig und machte einen zweiten Versuch. Dabei stieg ich an einem ziemlich schmalen Band zur hohlen Wand aus und stand plötzlich vor einer großen, bereits ausgeräumten Kluft. Die seitlichen Wände waren mit Periklinen und Adularen dicht belegt. Auf dem Boden lag ein kleiner Schuttkegel aus Steinen, Chloritsand und Rasenstücken. Vermutlich hatte man die Kluft ausgeräumt, danach noch die oberen Bereiche angesehen und dabei den Schutt und die Rasenstücke herunterfallen lassen, aber diese nicht mehr weggeräumt. Auf dem winzigen Felsvorsprung vor der Kluft befand sich schöner, grüner Chloritsand, auf dem der Regen kleine Sphene und Apatit-Bruchstücke freigewaschen hatte. Viel Platz zum Arbeiten gab es nicht (schätzungsweise ein Quadratmeter), denn die Wand fiel unmittelbar davor leicht hundert Meter überhängend ab. Auf dem Schuttkegel bemerkte ich etliche alte Zeitungen, die der Regen aufgeweicht hatte und konnte darauf noch die Jahreszahl 1991 erkennen. Da keinerlei Werkzeug zu finden war (was bedeutet, dass die Finder die Arbeit an der Kluft eingestellt hatten), nahm ich an, dass ich einfach um einige Jahre zu spät gekommen war. Etwas lustlos durchstöberte ich den Schuttkegel mit dem Gefühl, dass hier nicht mehr allzu viel dabei sein konnte. Allerdings wollte ich wenigstens einige der „Ausleger“ mitnehmen, denn Besseres hatte ich ja an diesem Tag noch nicht gefunden. Nun hielt ich aber zu meiner Überraschung ein kopfgroßes Stück in den Händen, auf dem sich eine klare Apatitfläche zeigte, die von hartem Chloritsand ummantelt war. Ich nahm an, dass meine Vorgänger diese Stufe übersehen hatten, oder vielleicht hatten sie Besseres zu tragen gehabt, packte zusammen und machte mich nun endgültig an den Abstieg.

Als ich das mitgebrachte Stück daheim mit dem Hochdruckreiniger abspritzte, zeigten sich darauf drei sechs Zentimeter große Apatiträder zwischen chloritbestäubten Periklinen (ein Stück, das bis heute in meiner Sammlung steht). Dennoch glaubte ich immer noch, dass es sich um ein übersehenes Stück gehandelt hatte und die Kluft bereits ausgebeutet war. Deshalb hatte ich es nicht eilig, die Stelle gleich noch einmal aufzusuchen.

Die Überraschung

Erst nach eineinhalb Wochen - inzwischen hatte ich ein anderes Gebiet erfolglos besucht - zog es mich wieder zum Finagl. Ich begann damit, den alten Kluftschutt vollständig wegzuräumen, aber außer Bruchstücken war vorerst nichts „Tragbares“ dabei. Nach einer halben Stunde Arbeit bemerkte ich zu meiner Freude, dass der Chlorit weiter unten gar nicht vollständig weggeräumt war. Die oberste Chloritschicht war hart, (die Erstfinder hatten wahrscheinlich angenommen, dass hier das Ende der Kluft gekommen war) aber je tiefer ich wühlte, desto weicher und sandiger wurde er. Trotzdem war ich immer noch der Meinung, dass es sich lediglich um ein übersehenes Eckchen der ausgeräumten Kluft handelte.

Mein Interesse stieg aber augenblicklich, als ich aus dem nunmehr lockeren Chloritsand eine bergfrische Adularstufe mit gelbgrünen Sphenen zog. Gleich darauf konnte ich auch einige bizarre Periklin-Adular-Stufen bergen. War das wirklich ein neuer Kluftbereich? Erst schön langsam dämmerte es mir: Das musste der Augenblick sein, auf den ich schon lange gewartet hatte und von dem ein jeder Sammler träumt! Vorsichtigst tastete ich mit bloßen Händen weiter und ständig konnte ich neue, etwa handgroße Stücke aus dem lockeren Chloritsand ans Tageslicht heben. Mein Herz pochte wild, denn schon lange hatte ich keinen so guten Fund mehr gemacht. Bis zum frühen Nachmittag hatte sich eine beachtliche Anzahl von schönen Stufen auf dem Zeitungspapier angesammelt. Überglücklich packte ich die Stufen ein, deponierte mein Werkzeug und stieg über die steilen Flanken ins Untersulzbachtal ab, was mit dem schweren Rucksack ziemlich beschwerlich war.

Gleich am nächsten Morgen - der Wettergott meinte es wirklich gut mit mir - denn erst in den nächsten Tagen sollte eine verstärkte Gewittertätigkeit aufkommen - stand ich wieder am Klufteingang. Diesmal hatte ich mir ein feinmaschiges Sieb mitgenommen, um auch die Kleinigkeiten nicht zu übersehen. Stück für Stück zog ich heraus, der Chloritsand rieselte über die Felswand. Dieses Abfließen wurde manchmal sogar zu einem kleinen Problem, denn bei schönem Wetter wurde am späten Vormittag der Aufwind so stark, dass er mir die winzigen Chloritkörnchen scharf ins Gesicht blies, und ich nur mehr mit Mühe etwas sehen konnte oder mich sogar wegdrehen musste.

Nun kam auch eine etwa kopfgroße Stufe ans Tageslicht, sodass der Rucksack bald wieder gefüllt war. Das Ausgraben und Bergen solcher Kostbarkeiten waren stets wunderbare Augenblicke, und wenn dann die Stufen länger in der Sonne standen, trocknete der Chloritsand, rieselte zu Boden und ließ die Schönheit des Stücks bereits ein wenig ahnen. Ich war selig, aber der kleine Platz zwang mich, meine Freude still zu genießen, denn ein Freudentanz wäre wohl eine zu riskante Angelegenheit gewesen.

Am nächsten Tag begleitete mich Hans, ein Bekannter aus Vorarlberg. Darüber war ich sehr froh, denn die Begeisterung ist zu zweit noch größer, und zwei Rucksäcke konnten talwärts eben mehr fassen. Außerdem war er noch nie bei der Öffnung einer Kluft dabei gewesen. Freilich hatten zwei Leute sehr wenig Platz zum Stehen und es wäre eigentlich klüger gewesen, ich hätte ein Seil zur Sicherung mitgenommen, aber damals kannte ich keine Furcht und nahm an, dass es ein anderer genauso empfand.

Erwin Burgsteiner am Beginn der Arbeiten 1994. Copyright Hans Grabherr
Erwin Burgsteiner am Beginn der Arbeiten 1994. Hans Grabherr
Der Vorarlberger Hans Grabherr auf dem schmalen Platz vor der Kluft. Copyright Erwin Burgsteiner
Der Vorarlberger Hans Grabherr auf dem schmalen Platz vor der Kluft. Erwin Burgsteiner

Ich machte mich also wieder an die Arbeit, während Hans sorgfältig den Kluftsand durchsah. Viele Sphene lagen lose im Sand. Plötzlich hielt ich den ersten Apatit in der Hand - glatt und scharf poliert. Einige Male genoss ich es, mit den Fingerspitzen die Glattheit und Perfektion der Natur abzutasten. Nun war äußerste Vorsicht angebracht und es galt, die eigene Ungeduld und Neugier zu zügeln und gleichmäßig wie ein Archäologe Sandschicht um Sandschicht abzutragen, um nicht durch unbeherrschtes Herausziehen einen Bruch oder eine Verletzung der Mineralien zu riskieren. Gleich darauf folgten zwei wunderschöne, gelbe, miteinander verwachsene Apatitscheiben, ein faustgroßes Aggregat, auf dem auch noch Sphene Platz gefunden hatten. Die Apatitkristalle wiesen an den Rändern Anlösungserscheinungen auf. Der Fund überstieg unsere Erwartungen bei weitem. Noch dazu nahm die Anzahl der Sphenstücke auf der westlichen Kluftseite immer mehr zu. Das Feierabend-machen war jedesmal - wenn genug Material vor der Kluft lag - etwas vom Schwierigsten, denn man spürte, dass jeder neue Griff wieder etwas Überraschendes zu Tage fördern konnte. Was würden wohl die nächsten Tage bringen?

Ein 3 cm großer, angelöster Apatit mit Sphenen. Copyright Maximilian Schiller
Ein 3 cm großer, angelöster Apatit mit Sphenen. Maximilian Schiller
Der 1,5 cm große Apatit zwischen leicht chloritisierten Periklinen. Copyright Maximilian Schiller
Der 1,5 cm große Apatit zwischen leicht chloritisierten Periklinen. Maximilian Schiller

Weniger erfreut waren wir dann aber über die heranrückende Gewitterfront, das Grollen des Donners ließ uns rasch einpacken und ins Tal steigen. Der Regen machte die flechtenbewachsenen Steine extrem rutschig und gefährlich. Unter einem Stein fanden wir ein wenig Schutz, im Waldbereich schien schon wieder die Sonne. Hans wollte am nächsten Tag eine Ruhepause einlegen, für mich kam das aber nicht in Frage, obwohl Schultern und Kniegelenke schon schmerzten.

Auf- und Abstieg waren immer sehr anstrengend, denn eine Strecke beanspruchte durchschnittlich dreieinhalb Stunden, mit den ganz schweren Steinen und vielen Pausen auch bis zu fünf Stunden. Der Finaglhang fällt außerdem in gleichmäßigem Gefälle bis zum Bergfuß steil ab und gönnt einem nie eine Verschnaufpause, nicht einmal die Serpentinen von der Jagdhütte bis zum Talweg haben ein kräfteschonendes Flachstück. Später wählte ich den Anstieg vom Habachtal aus, denn der erschien mir ein wenig abwechslungsreicher und gemütlicher, auch wenn ich dafür etwa hundert Meter wieder ins Untersulzbachtal absteigen und am Abend wieder aufsteigen musste.

Die beste Stufe

Diesmal arbeitete ich an der westlichen, talwärts gerichteten Kluftseite, an der relativ viele lose Sphene (bis zu 1,5 cm) lagen. Das Aussieben beanspruchte sehr viel Zeit, und die Arbeitszeit war kostbar, denn man musste ständig auf der Hut vor Gewittern sein, die manchmal zum vorzeitigen Absteigen zwangen. Eine Platte sperrte auf einmal den Weg nach unten, oder war das schon der Boden der Kluft? Da ich Perikline darauf ertasten und auch sehen konnte, arbeitete ich sehr behutsam. Werkzeug hatte ich bis jetzt noch keines gebraucht, sieht man vom kleinen Klufthaken ab. Endlich lag die Platte frei vor mir, und ich konnte das etwa 30 kg schwere Stück vor die Kluft hieven und begutachten. Aus dem dicken Chloritmantel sah ich zu meiner Freude einen flächenreichen Apatit leuchten, deshalb nahm ich sogleich an, dass es ein besonderes Stück sein könnte. Den Chloritsand wollte ich für den Transport auf der Stufe lassen, denn er hatte die Mineralien ja bereits über viele Millionen Jahre geschützt und sollte das auch auf dem Weg ins Tal tun. Da es Zeit für den Abstieg war, verstaute ich die Stufe im großen Rucksack, polsterte sie mit Schaumstoff und zerknülltem Zeitungspapier aus und begann mit dem Abklettern. Die Gewitterfront drückte bereits die dunklen Wolken gegen den Gipfel des Finagls und noch bevor der Regen einsetzen würde, wollte ich wenigstens die anspruchsvollen Klettereien hinter mir gelassen haben. Tatsächlich schaffte ich es bis zu den steilen Grashängen oberhalb der Wiesegg-Hütte. Dort zog ich als Regenschutz das knallgelbe Ölzeug der Fischer an der Ostsee an. Ich musste mich beeilen, andererseits durfte ich keinen unbedachten Schritt auf diesem rutschigen, mit kleinen Erlenbüschen bewachsenen Grashang machen, während es immer wieder blitzte und fast gleichzeitig krachte. Plötzlich kam ich ins Rutschen und sauste etwa zehn Meter durch die Erlensträucher. Ich dachte noch an meine wertvolle Fracht im Rucksack und verdrehte mich so, dass der Rucksack nicht am Boden streifte. Zum Glück konnte ich einen Ast erwischen, an dem ich meine Fahrt abbremste und wieder zum Stehen kam. Die Knie waren weich, aber jetzt musste ich noch vorsichtiger sein, auch wenn ein schneller Abstieg aus der elektrisch aufgeladenen Zone ratsam war. Endlich kam ich in den Waldbereich und konnte unter dem Vordach der Wiesegg-Hütte warten, bis das Gewitter weitergezogen war.

Die Kluft führte senkrecht in die Tiefe. Hier steht Erwin Burgsteiner noch auf den besten Stufen. Copyright Hans Grabherr
Die Kluft führte senkrecht in die Tiefe. Hier steht Erwin Burgsteiner noch auf den besten Stufen. Hans Grabherr
Wenige Minuten nach der ersten Reinigung hält Erwin Burgsteiner die ausgezeichnete Stufe in der Hand. Copyright Erwin Burgsteiner
Wenige Minuten nach der ersten Reinigung hält Erwin Burgsteiner die ausgezeichnete Stufe in der Hand. Erwin Burgsteiner

Ich war schon gespannt, was sich unter dem Chloritsand auf der Stufe verbarg. Daheim angekommen, wickelte ich den schweren Stein aus den schützenden Hüllen und spritzte die Gruppe vorsichtigst ab, da die Apatite sehr empfindlich sein können. Was ich jetzt zu sehen bekam, darauf war ich nicht gefasst gewesen! Das absolut schönste Stück der Kluft lag vor mir! Wie auf einer Schüssel stehen massige, chloritbestäubte Perikline, dahinter liegt dunkel ein Wulst chloritisierter, kleiner Adulare - gut für den Kontrast. Kleine Sphene sind immer wieder darübergestreut. Am idealsten Platz hinter dem Chloritwulst präsentieren sich drei 8 cm große, gelbe, hochglänzende Apatite mit abgeschrägten Flächen. Sie waren zum Glück nicht angelöst und trotz der Größe und der Rutschpartie im Gewitterregen hatte ich es geschafft, die Stufe unverletzt ins Tal zu bringen.

Die große Apatitstufe misst 45 x 35 x 26 cm. Copyright Maximilian Schiller
Die große Apatitstufe misst 45 x 35 x 26 cm. Maximilian Schiller
Detailaufnahme der 8 cm großen, gelblichen Apatite. Copyright Maximilian Schiller
Detailaufnahme der 8 cm großen, gelblichen Apatite. Maximilian Schiller

Immer tiefer

In der folgenden Zeit buddelte ich mich immer tiefer in den Berg, senkrecht nach unten. Bald war allein nichts mehr zu machen, denn ich konnte den Chloritsand nicht mehr hinaufbefördern. Einige meiner Steinsucherkollegen begleiteten mich (Erich, Axel, Günther, Franz). Einen Plastikkanister funktionierten wir kurzerhand um, versahen ihn mit einer Reepschnur und hatten so einen praktikablen Aufzug. Einer saß also unten in der Kluft und füllte den Kanister, der zweite zog ihn herauf, begutachtete und sortierte die Steine. Viele interessante Stufen folgten noch, die Apatite waren aber vielfach angelöst. Am Ende des Sommers hatte die Kluft eine Tiefe von etwa 6,5 Metern (den alten Kluftbereich dazu gerechnet), eine Breite von 1,2 Metern und eine Länge von 2,5 Metern. Dieser gleichmäßig breite Schlauch zog sich senkrecht nach unten, immer wieder steckten ausgezeichnete Periklinstufen im Chloritsand und im untersten Bereich gab es noch einmal eine ordentliche Ausbuchtung. Bergseitig wollte ich einen Teil für das nächste Jahr übriglassen, auch vor der Kluft sollte einiges über den Winter zurückbleiben, da nun bald die Schule begann. An einem klaren Föhntag stiegen mein früherer Kletterpartner Herbert und zwei Freunde mit mir auf zum „Loch“ und Herbert drehte einen halbstündigen Videofilm, damit dieser Fund auch anschaulich dokumentiert ist.

Das zweite Jahr

Als im Frühjahr 1995 die Stelle wieder schneefrei war, konnte ich an eine Weiterarbeit vorerst nicht denken, denn ein dicker Eiskeil hatte die Kluft verschlossen. Noch hatte ich aber ohnedies genug zum Hinunterschleppen. Die schwerste Platte (ich nenne sie ihrer Form wegen „Schmetterling“) geformt wie eine Schüssel mit kleinen Sphenen, der Rand gesäumt mit Periklinen und den schönsten Apatiten auf der Rückseite - dieses Stück musste ich auf einer Kraxe hinunterbalancieren. Dafür brauchte ich fast den ganzen Tag. Erst Ende Juli konnte ich den engen Schlauch weiter nach unten durchsuchen, aber spektakuläre Stücke gab es nicht mehr. Mit meinem Freund Vinzenz legte ich noch die bergseitige Stelle frei, wir fanden noch einen größeren Apatit, sowie schneeweiße Perikline mit kleinen Adularen.

Bald fand ich auch heraus, wer die Entdecker der Kluft waren. Die jungen Steinsucher erklärten mir, dass sie nicht daran gedacht hatten, dass die Kluft in eine solche Tiefe gehen könnte und hatten deshalb die Arbeiten beendet.

Eine beidseitig ausgebildete Periklinstufe. Höhe: 18 cm Copyright Maximilian Schiller
Eine beidseitig ausgebildete Periklinstufe. Höhe: 18 cm Maximilian Schiller
Eine 40 x 35 cm große Periklinstufe. Copyright Maximilian Schiller
Eine 40 x 35 cm große Periklinstufe. Maximilian Schiller
Ein Bäumchen aus Periklin, Sphen und Apatit. (15 x 13 cm) Copyright Maximilian Schiller
Ein Bäumchen aus Periklin, Sphen und Apatit. (15 x 13 cm) Maximilian Schiller
Periklinstufe (20 x 18 cm) mit 5 cm großen Apatiten dazwischen. Copyright Maximilian Schiller
Periklinstufe (20 x 18 cm) mit 5 cm großen Apatiten dazwischen. Maximilian Schiller

Die gesamte Paragenese umfasst also: Quarz (meist als Skelettquarz ausgebildet), Apatit, Sphen, Periklin, Adular, Calcit (häufig schon weggeätzt und oft nur an den Negativformen zu erkennen), Zoisit (bis 5 mm), Pyrit (wenig und im Millimeterbereich) und massenhaft Chlorit. Erwähnt werden muss auch noch, dass die durch starke Zerr- und Druckkräfte gebogenen Platten von ausgelaugtem Amphibolit ein Charakteristikum dieser Kluft darstellen. Häufig ist es so, dass sehr dünne, gebogene Platten von Periklinen und Adularen beiderseits belegt sind.

Typisch für die Apatitkluft war die gebogene Matrix, hier umrandet mit Periklinen. Copyright Maximilian Schiller
Typisch für die Apatitkluft war die gebogene Matrix, hier umrandet mit Periklinen. Maximilian Schiller

Vor dem großen Schlechtwettereinbruch des Sommers 1995 mit den starken Schneefällen stiegen meine zwei Söhne Hannes und Andreas noch einmal mit mir hinauf, um das deponierte Werkzeug herunterzutragen, das ich ohnehin kaum gebraucht hatte. Wir ließen noch allerhand brauchbare Stufen zurück, vielleicht würde sich einmal jemand freuen. Heute sind die Strapazen längst vergessen und ich bin sehr, sehr dankbar, dass ich dieses riesengroße Glück haben durfte, eine solch große Kluft mit exzellenten Mineralien finden und ausbeuten zu können. Es war zweifellos eine Sternstunde in meiner Sammlertätigkeit und die besten Stufen befinden sich bei mir in der Sammlung.

Zwei kritische Momente bleiben mir in Zusammenhang mit der Kluft im steilen Gelände in Erinnerung, die aber zum Glück gut ausgegangen sind. Einmal wollte ich ein etwa 30 Kilogramm schweres Stück vor die Kluft stellen, sah die großen Apatite darauf, blieb aber mit dem linken Fuß am Klufteingang hängen und stolperte. Nur mit großer Mühe konnte ich mich und den großen Stein gerade noch vor einem Sturz in die Tiefe retten.

Ebenso kribblig war die Situation, als ich mit dem schwer bepackten Rucksack aufstehen wollte. In diesem Moment - als ich mich gerade aufgerichtet hatte - riss der linke Riemen und das Gewicht verlagerte sich augenblicklich talwärts. Ich erschrak gewaltig und reagierte Gott sei Dank richtig, indem ich mich sofort zurücksetzte, sodass der Rucksack im herausgeworfenen Chloritsand wieder stabil lag.

Wie sich etwas ändern kann

Eine interessante Begegnung hatte ich bei einem der letzten Gänge 1994. Beim Abstieg zur Wildalm sah ich den zuständigen Jäger und wusste, dass er kein großer Freund der Steinsucher war. Ich konnte ihm aber nicht ausweichen und so trafen wir zusammen. Noch bevor wir uns begrüßten, begann er wild über die Steinsucher zu schimpfen – ich konnte nur zuhören und entgegnete vorerst nichts. Als die Tirade an üblen Schimpfwörtern nachließ, nickte ich zustimmend und gab ihm in manchen Sachen sogar Recht. Er beruhigte sich, wir stiegen gemeinsam zur Alm ab, dabei vertraute er mir noch seine Familiengeschichte an und zuletzt lud er mich auf ein Bier in die Hütte ein. Es gab noch ein zweites Bier, die ungute Stimmung war verflogen und als ich mich anschickte, nach Hause zu fahren, stand er auf und sprach eine ernstgemeinte Einladung aus. Ich sollte unbedingt mit ihm zur Bärenjagd nach Kanada reisen!

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