Mineralogie einfach erklärt: Galenit von Wölsendorf

Ein glitzernder, auffällig gefärbter oder merkwürdig geformter Stein, in der Natur gefunden, geschenkt bekommen oder billig erworben, ist manchmal Anlass, mehr über diesen Teil der Natur wissen zu wollen. Die Reihe „Mineralogie einfach erklärt“ will Sammlungsstücke und Wissenschaft verbinden. In diesem Beitrag geht es um Galenit aus Wölsendorf in Bayern und ein paar Fachbegriffe.

Maximilian Schiller

Viele Sammler können mit dem Wort „Wölsendorf“ sofort etwas verbinden. Sie denken an „Stinkspat“ und „Honigspat“, die in attraktiven Stücken in Sammlungen von Museen, an Ständen von Ausstellern auf Mineralienbörsen oder vielleicht in bescheidenerer Form im Schrank daheim liegen. Abb. 1 und 2 zeigen zwei eher kleine Stufen.

Abb. 1: Honiggelber Fluorit, sog. Honigspat vom Marienschacht, Wölsendorfer Revier. Bildbreite 15 cm Copyright Maximilian Schiller
Abb. 1: Honiggelber Fluorit, sog. Honigspat vom Marienschacht, Wölsendorfer Revier. Bildbreite 15 cm Maximilian Schiller
Abb. 2: Schwarzer Fluorit, sog. Stinkspat vom Marienschcht, Wölsendorfer Revier. Bildbreite 12 cm Copyright Maximilian Schiller
Abb. 2: Schwarzer Fluorit, sog. Stinkspat vom Marienschcht, Wölsendorfer Revier. Bildbreite 12 cm Maximilian Schiller

Das Wölsendorfer Flussspatrevier liegt ca. 50 km nördlich von Regensburg zwischen Schwandorf und Nabburg. Das Revier misst etwa 15 km mal 5 km. Die Grube Hermine wurde als letzte im Revier 1987 geschlossen. Besucherbergwerke gibt es nicht.
In seiner knapp hundertjährigen Geschichte haben die Gruben viele Sammlungsstücke geliefert. Die Fundortangabe ist in Mitteleuropa bekannt wie „Andreasberg“, „Grube Clara“, „Habachtal“, „Erzgebirge“ oder „Minas Gerais“.

Im Netz finden sich viele Fotos von Wölsendorfer Fluorit, wie die internationale Bezeichnung für Flussspat lautet. Der alte deutsche Name Flussspat bezieht sich auf seine Verwendung als Zusatz bei Hüttenprozessen, wo er für einen besseren Fluss des Schmelzgutes sorgt. Fluorit sagt, dass der Stein Fluor enthält; Fluor, das mit Calcium eine Verbindung namens Calciumfluorid bildet.

Flussspat wird in Wölsendorf häufig von Schwerspat, international Baryt genannt, und Quarz begleitet. Letzterer ist oft von leuchtend rotem Eisenoxid überzogen. Die mm-große Quarzkristalle, die dicht aneinandergedrängt sogenannte Rasen bilden, heißen „Eisenkiesel“. Abb. 3 zeigt ein Stück vom Marienschacht.

Abb. 3: Eisenkiesel vom Marienschacht, Wölsendorfer Revier. Bildbreite 12 cm Copyright Maximilian Schiller
Abb. 3: Eisenkiesel vom Marienschacht, Wölsendorfer Revier. Bildbreite 12 cm Maximilian Schiller

In diesem Beitrag soll es um den Bleiglanz gehen, der in Wölsendorf gefunden wurde, aber weniger von dort bekannt ist. Sei es, weil er nicht häufig war oder weil er von den Sammlern nicht nachgefragt und damit von den Bergleuten nicht mitgenommen worden ist. Jedenfalls waren die Bleiglanzvorkommen nicht so umfangreich, dass sie im Zuge des Flussspatbergbaus ausgebeutet worden wären.
Bleiglanz ist global das wichtigste Bleierz. Es besteht aus Atomen von Blei (Pb) und Schwefel (S), die miteinander einen Stoff, den die Chemie als Bleisulfid (PbS) bezeichnet, bilden. Die Bleiatome und Schwefelatome im Bleisulfid sind nicht einfach im Raum irgendwie gleichmäßig verstreut sondern sind regelmäßig angeordnet. Jedes  Bleiatom hat genau sechs Schwefelatome als gleich weit entfernte nächste Nachbarn. Das stimmt auch umgekehrt. Sie bilden ein Kristallgitter. Obwohl die Atome unteilbar und mehr als winzig sind, darf man sie sich ruhig als kleine Kugeln vorstellen. Abb. 4 zeigt modellhaft das Kristallgitter von Bleisulfid.

Typisches Kristall-Gitter zwischen Blei und Schwefel Atomen. Copyright Paul Gruber
Typisches Kristall-Gitter zwischen Blei und Schwefel Atomen. Paul Gruber
Zwischen dem Blei und den 4 in Verbindung stehenden Schwefelatomen besteht ein gleich großer Abstand. Copyright Paul Gruber
Zwischen dem Blei und den 4 in Verbindung stehenden Schwefelatomen besteht ein gleich großer Abstand. Paul Gruber
Zwischen den Schwefel und den Blei Atomen besteht ebenfalls ein gleich großer Abstand. Copyright Paul Gruber
Zwischen den Schwefel und den Blei Atomen besteht ebenfalls ein gleich großer Abstand. Paul Gruber

Jedes Stück Bleiglanz ist also ein Kristall, aber der Sammler wird es nicht immer als Bleiglanz-Kristall bezeichnen. Für ihn muss ein Kristall nach außen durch mehr oder minder deutlich erkennbare Kristallflächen begrenzt sein. Dabei kann anderes Material an die Flächen angrenzen, der Kristall also eingewachsen sein, oder es kann kein anderes Material angrenzen, einige oder fast alle Flächen ragen in die Luft, er ist aufgewachsen. Setzt man das in Abb. 4 gezeigte Gitter in alle Richtungen gleichmäßig fort, so ist es plausibel, dass Galenitkristalle gerne würfelförmig sind.

Abb. 5: Galenit auf Dolomit vom Marienschacht, Wölsendorfer Revier, Bildbreite 6 cm Copyright Maximilian Schiller
Abb. 5: Galenit auf Dolomit vom Marienschacht, Wölsendorfer Revier, Bildbreite 6 cm Maximilian Schiller

Abb. 5 zeigt schwarz erscheinende, aufgewachsene würfelförmige Galenitkristalle vom Marienschacht in Wölsendorf. Das helle Material sind aneinandergewachsene Kristalle von Dolomit, welche die für Dolomit charakteristischen gekrümmten Flächen aufweisen. Dolomit ist ein Verwandter des gewöhnlichen Kalks, der neben Kohlenstoff (C) und Sauerstoff (O) nicht nur das Element Calcium (Ca) sondern auch Magnesium (Mg) enthält. Die Chemie schreibt seine Zusammensetzung als CaMg [CO3]2.

Die Form des Oktaeders. Copyright Paul Gruber
Die Form des Oktaeders. Paul Gruber
Abb. 6: Galenit mit Überzug von Fluorit vom Marienschacht, Wölsendorfer Revier. Bildbreite 7 cm Copyright Maximilian Schiller
Abb. 6: Galenit mit Überzug von Fluorit vom Marienschacht, Wölsendorfer Revier. Bildbreite 7 cm Maximilian Schiller
Abb. 7: Galenit in Fluorit von der Grube Roland, Wölsendorfer Revier. Bildbreite 4 cm Copyright Maximilian Schiller
Abb. 7: Galenit in Fluorit von der Grube Roland, Wölsendorfer Revier. Bildbreite 4 cm Maximilian Schiller

In Abb. 6 erkennt man die aufgewachsenen Kristalle von Galenit nicht auf den ersten Blick. Zum einen haben sie eine dünne Kruste von kleinen, farblosen Fluoritkristallen, so dass sie grau und nicht schwarz erscheinen. Zum anderen sind sie dicht aneinander gewachsen, so dass man von jedem Kristall nur wenige Flächen sehen kann. Schließlich sind es keine Würfel, sondern Oktaeder. Die dreieckigen Flächen sind deutlich. Die Stufe stammt ebenfalls vom Marienschacht.

Galenitkristalle gibt es auch eingewachsen. Abb. 7 zeigt einen dunklen Oktaeder von der Grube Roland in Wölsendorf. Er ist in hellem Fluorit eingewachsen. Woran erkennt man, dass der Kristall eingewachsen und nicht aufgewachsen ist – die vier sichtbaren dreieckigen Flächen sind doch von keinem anderen Material umgeben?

Nun, auf der Rückseite des Stückes sieht man einen durchgebrochenen Kristall, bündig mit dem umgebenden Flussspat. Der Finder des Stücks weiß es: Er hat einen Steinbrocken zerklopft und der mürbe Flussspat hat sich entlang der Kristallflächen des Oktaeders abgelöst ohne diesen zu zerstören.

Zerklopft man reine Bleiglanzstücke, so kann man oft beobachten, dass die Spaltstücke graue, sehr gut spiegelnde Flächen aufweisen. Mit Geschick kann man Würfel mit sechs hochglänzenden Flächen erzeugen. Eigentlich eine ideale Bleiglanzkristallstufe, wäre sie nicht künstlich geschaffen worden. Manchmal bestehen reine Bleiglanzstücke aus vielen regellos aneinandergewachsenen mm-großen Bleiglanzkörnern mit spiegelnden Flächen, die aber keine einheitlichen, großen Flächen bilden. Dann lassen sich keine Spaltstücke gewinnen. Jedes Bruchstück zeigt wieder nur die Körner.

Abb. 8: Galenit in Fluorit vom Marienschacht, Wölsendorfer Revier. Bildbreite 11 cm Copyright Maximilian Schiller
Abb. 8: Galenit in Fluorit vom Marienschacht, Wölsendorfer Revier. Bildbreite 11 cm Maximilian Schiller

Ein größeres Spaltstück von Bleiglanz vom Marienschacht zeigt Abb. 9. Das helle Mineral ist wieder Flussspat. Der Bleiglanz glänzt metallisch.

Warum sind die zuvor abgebildeten Kristalle matt und dunkelgrau? Dies liegt daran, dass sich Bleiglanz besonders unter dem Einfluss von Wasser gerne oberflächlich umwandelt. Die Hohlräume im Bergwerk, in denen die aufgewachsenen Kristalle vorkommen, enthalten oft feuchten Lehm. Auch kleine Risse im Gestein transportieren oft Wasser. Die Zersetzung kann soweit gehen, dass der ursprünglich vorhandene Bleiglanzkristall teilweise oder ganz verschwindet. Manchmal sind die äußersten Partien noch erhalten. In Abbildung 9 sieht man das.

Die Form des Kuboktaeders. Copyright Paul Gruber
Die Form des Kuboktaeders. Paul Gruber
Abb. 9: Galenit auf Fluorit von der Grube Helene, Wölsendorfer Revier. Bildbreite 6 cm Copyright Maximilian Schiller
Abb. 9: Galenit auf Fluorit von der Grube Helene, Wölsendorfer Revier. Bildbreite 6 cm Maximilian Schiller

In Abbildung 9 erkennt man einen gelben Rasen von Flusspatwürfeln. Ein Teil davon wird bedeckt von einem violetten Flussspatrasen. Da dieser zeitlich nach den gelben Kristallen entstanden sein muss, spricht man von einer „zweiten Generation“ von Flussspat. Das graue, wie Teile von Hohlkugeln aussehende Mineral ist der Rest zersetzter Bleiglanzkristalle. Betrachtet man die Hohlformen näher, erkennt man, dass ursprünglich weder Würfel noch Oktaeder, sondern „Pyramidenwürfel“ vorgelegen haben. Pyramidenwürfel bzw. Kuboktaeder erhält man, wenn man in Gedanken die acht Ecken eines Würfels jeweils so abschneidet, dass man statt der Ecke eine dreieckige Fläche mit gleich langen Seiten bekommt. Die gezeigte Stufe stammt von der Grube Helen im Revier Wölsendorf.

Untersucht man das Stück unter dem Auflichtmikroskop, so findet man in einem Bleiglanzrelikt einen winzigen länglichen Kristall von Wulfenit. Auch sind viele Reste von hellgrauem, verfestigten Lehm zu erkennen. Man könnte ihn entfernen, würde dabei aber die Zerstörung des Bleiglanzes riskieren.

Zum Abschluss dieser kleinen mineralogischen Reise nach Wölsendorf ist in Abbildung 10 der Marienschacht in Wölsendorf im Jahr 1976 zu sehen.

Abb. 10: Grube Marienschacht in Wölsendorf, 1976. Copyright Paul Gruber
Abb. 10: Grube Marienschacht in Wölsendorf, 1976. Paul Gruber

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